25. März 2015
Gästeabend mit Autorenlesung
Margret Greiner
"Auf Freiheit zugeschnitten"
Da zu einem Leben nach ethischen Prinzipien immer auch persönliche Integrität gehört, liegt es nahe, sich mit Menschen zu beschäftigen, deren Leben und Wirken Impulse für das eigene Denken und Handeln geben kann.
Literatur, insbesondere Biographien, stellen eine unerschöpfliche Quelle dafür dar, bei der das ernsthafte Anliegen mit Lesevergnügen verbunden ist.
Wir konnten die Autorin Margot Greiner für eine Lesung zu ihrem neuen Buch "Auf Freiheit zugeschnitten" gewinnen und erlebten einen eindrucksvollen Abend mit unseren Gästen.
Vor und nach der Lesung gab es Gelegenheit, sich am Büchertisch der Buchhandlung Osiander umfassend zu informieren und das eigene Buch signieren zu lassen.
Neugier und das Interesse am literarischen Werk einer zeitgenössischen Schriftstellerin führt ca 60 Gäste zu den Freimaurerinnen und an einen, für viele von ihnen, unbekannten Ort.An einen besonderen Ort: in das älteste sakrale Gebäude Reutlingens, eine ehemalige Marienkapelle.
An diesem Ort kann man durch die Architektur der Gotik die Symbolik des Bauens und die „Symbolik des Lichts" als ein Bild für aufgeklärtes Denken mit allen Sinnen erleben - beides zentrale Bezüge freimaurerischen Arbeitens. Das aufstrebende Kreuzgewölbe erinnert daran, dass auch zur Freiheit der Gedanken eine kühne Konstruktion notwendig ist, die häufig nur als revolutionäre Tat gegenüber herrschenden Dogmen und Gesetzen zu verwirklichen war - und ist.
Mit Margret Greiner stand an diesem Abend die Literatur im Mittelpunkt, die – wie jede große Kunst - ebenso Auslöser und Träger sozialer Veränderungen sein kann.
Margret Greiner thematisierte in ihren Werken z. B. die Begegnungen unterschiedlichster Ethnien und Religionen, erzählt von den harten Grenzen politischer Wirklichkeit, aber auch von den – noch nicht verwirklichten - Möglichkeiten. In freimaurerischen Sprachjargon heißt das:
„Bauen am Tempel der Menschlichkeit“
Unter der Zielsetzung einer gerechteren und menschenwürdigeren Welt verwendet sie in Ihren Texten auch traditionelle Symboliken, z.B. das kulturübergreifende Bild „Jerusalem ist eine Frau" und durchdenkt es im Hinblick auf eine künftige Bedeutung als „Stadt des Friedens“.
Diese Arbeitsmethodik – wie sie auch Teil der freimaurerischen Arbeit mit Symbolik ist - ermöglicht
die Anknüpfung an universelles Wissen und universelle Werte, die uns über die religiösen und kulturellen Grenzen unseres individuellen Denkens hinausführen.
Durch ihre Lehrtätigkeiten in Deutschland, am Schmidt's Girls College in Jerusalem (2000 - 2002) und an der Renmin Universität in Beijing/China (2005) und hat Frau Greiner auch die nächste Generation als Leser/innen im Blick. In „Miss, wie buchstabiert man Zukunft?“ beschreibt sie Ihren doppelten Alltag unter Israelis und Palästinensern, als sie selbst in Jerusalem wohnte und an einer palästinensischen Schule unterrichtete.
Mit ihrem 2014 erschienenen Buch greift sie ein weiteres großes Thema unserer Welt auf.
Die Hauptprotagonistin, Emilie Flöge, vollzieht in ihrem Roman den revolutionären Akt einer Befreiung, durch den nicht nur faktisch das Korsett, sondern auch symbolisch einengende und blind machende Vorurteile abgelegt werden müssen.
Als studierte Historikerin stützte sie sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse, wurde archäologisch fündig und trägt nun dazu bei, dass wieder ein Stück Frauengeschichte neu geschrieben wird.
Emilie Flöge reiht sich ein in die Erkenntnis:
Neben jedem starken Mann steht eine kluge Frau. (Nicht “hinter”!)
Die Freimaurerinnen fühlen sich in ihrer Arbeit nicht dem radikalen Feminismus verpflichtet, sondern jenen Menschen verbunden, die sich für ein Gleichgewicht menschlicher Werte einsetzen und die Beseitigung der Ungleichgewichtung im Sozialen individuell oder kollektiv anstreben.
Mit Engagement und mitreißendem Charme trug Frau Greiner einige zentrale Kapitel ihres Buches vor und ergänzte diese anschließenden durch einen kleinen Vortrag über die Entstehungsgeschichte des Buches und den gelungenen (!) Versuch, eine "erzählende" Biographie zu schreiben, die dem Umstand geschuldet ist, dass es leider keinerlei Dokumente aus Emilie Flöges Nachlass mehr gibt. Für alle Anwesenden gab es viele neue Erkenntnisse beim Zuhören, es war eine bereichernde Reise in die Welt der erzählenden Literatur.
Emilie Flöge
15 Jahre vor Coco Chanel befreite Emilie Flöge die Frauen von Korsett und Mieder. Gemeinsam mit ihren zwei Schwestern betrieb sie den „Salon Flöge“ in Wien: Wer gesellschaftlich etwas auf sich hielt, ließ sich ein Haus von Josef Hoffmann bauen und einrichten, die Dame des Hauses von Klimt malen und von Emilie Flöge einkleiden. Adele Bloch-Bauer, Margarete Wittgenstein-Stonborough, Berta Zuckerkandl und Clarisse Rothschild liebten ihren bahnbrechenden neuen Stil.
In Form eines spannenden Romans erzählt Margret Greiner das Leben der Emilie Flöge, die Gustav Klimt als junges Mädchen kennenlernte und die dem schwierigen und extravaganten Künstler bis zu seinem Tod eine verlässliche Gefährtin jenseits einer konventionellen Liebesbeziehung war. Die Biografie zeichnet vor allem das Bild einer Frau, die unbeirrt ihren Weg ging und, beruflich äußerst erfolgreich, einen völlig neuen, „secessionistischen“ Mode-Stil kreierte.
Ihre für die damalige Zeit ungewöhnliche finanzielle Unabhängigkeit ermöglichte ihr auch eine selbstbestimmte Gestaltung ihres Privatlebens. Sie heiratete nie, blieb in freier Entscheidung kinderlos, verweigerte sich allen Rollenklischees.
Das Buch basiert auf den Erkenntnissen der gegenwärtigen Forschung, geht aber über das rein Faktische hinaus und zeichnet in einer Mischform aus Roman und Dokumentarbericht das Lebensbild dieser außergewöhnlichen Frau.
Eigentlich war es Ärger, der mich zum Schreiben gebracht hat, darüber, dass hier (wie so oft) eine großartige Frau nur als Anhängsel eines Mannes wahrgenommen wird. Margret Greiner
Wir danken Frau Greiner, dass Sie uns die Genehmingung erteilt hat, Bilder und Textabschnitte aus ihrer Website verwenden zu dürfen.